"Der Wald hat uns beigebracht, den Moment zu genießen"

Ein 150 Jahre altes Forsthaus mitten im Wald - für Franziska und Carsten Jebens aus Hamburg die Erfüllung ihres Traums. Weit abgeschieden leben die beiden in ihrem Traumhaus inmitten von Rehen, Wildschweinen, Eulen und weiteren tierischen Nachbarn. Ein Gespräch über wuselige Großstädte, starke Visionen, neue Fähigkeiten, Veränderungen, Achtsamkeit und was es mit "Kaffee mit Käuzchen" auf sich hat.
Franziska, Carsten und Hund Schmiddie am Feuer im Wald
(c) Jebens

Break Away: Bevor ihr im Wald gelandet seid, habt ihr in Hamburg gelebt und wenig mit einem abgelegenen Haus im Wald zu tun gehabt. Wie würdet ihr euer damaliges Leben beschreiben?

Franziska: Damals war unser Leben typisch städtisch. Schnell, laut, wuselig. Wir hatten immer etwas um die Ohren. Neben meinem Job in der Filmbranche hatten wir einen Laden für Möbel und Wohnaccessoires, die wir zusammen entworfen und die Carsten dann gebaut hat. Hin und wieder haben wir Ausflüge in die Natur gemacht, um ein bisschen zu entspannen und haben uns immer öfter nach Ruhe und Zweisamkeit gesehnt.

Break Away: Wie kam dann die Entscheidung in den Wald zu ziehen? Gab es einen bestimmten Auslöser?

Carsten: Bei einem Spaziergang in einem Waldgebiet unweit von Hamburg entdeckten wir ein paar Häuser. Franzi sagte zu mir: "Das wär doch was, so mitten im Wald." Und ich antwortete: "Ja, dann aber ohne Nachbarn." Eigentlich eher aus Spaß haben wir dann einen Suchauftrag bei Immobilienscout angelegt. Suchkriterium: Haus in Alleinlage. Und ein paar Monate später hat uns dann das 150 Jahre alte Forsthaus ohne Wasseranschluss, ohne Heizung und ohne einen einzigen Nachbarn mitten im Wald, mitten im grünen Nirgendwo gefunden.

Franziska: Als ich das Exposé las, wusste ich irgendwie schon, dass das unser Haus sein wird. Ich hatte überall Gänsehaut. Bei der ersten Besichtigung war gerade der Frühling ausgebrochen und der Ort kam uns magisch unwirklich vor. Überall zwitscherten Vögel, alles war grün, blühte, und es duftete herrlich. Wir wären am liebsten gar nicht mehr weg gefahren. Wir hatten gleich eine sehr starke Vision, von uns beiden an diesem Plätzchen Erde und sind dieser dann gefolgt!

Break Away: Wie hat euer Umfeld auf diese Entscheidung reagiert?

Franziska: Freunde und Familie haben uns natürlich erst einmal für komplett verrückt erklärt, was wir auch verstehen konnten. Aber wir waren uns so sicher, waren so felsenfest überzeugt von unserer Idee, dass uns das nicht so viel ausgemacht hat.

Carsten: Und unser Umfeld hat unser neues Zuhause schnell lieben gelernt. Alle haben gemerkt, dass das Haus im Wald ein ganz besonderer Platz ist, an dem man super entschleunigen kann und fühlten sich dort bald genauso wohl wie wir, obwohl es die ersten Jahre noch nicht mal fließend Wasser aus der Leitung gab. Zum Duschen haben wir ein paar Liter aus dem Brunnen auf dem Holzherd warm gemacht, das Wasser in eine Gießkanne umgefüllt und uns dann gegenseitig im Garten damit abgeduscht.

Franziska: Für uns war das Ganze ein wahnsinnig aufregendes Abenteuer!

Franziskas und Carstens Zuhause mitten im Wald (c) Jebens
Break Away: Wie lief die Renovierung ab? Habt ihr euch nicht ab und zu gefragt: Warum tun wir uns das an?

Carsten: Genau wie wir eine starke Vision von uns an diesem Ort im Wald hatten, so hatten wir auch eine sehr präzise Vorstellung davon, wie das Haus mal aussehen soll. Und dann haben wir dieses Ziel Stück für Stück umgesetzt. Natürlich war es manchmal auch hart, weil natürlich alles VIEL länger gedauert hat als wir dachten, unvorhergesehene Baumaßnahmen auf uns zukamen und wir ein paar Jahre auf einer Baustelle gelebt haben, während Franzi noch nach Hamburg zur Arbeit gependelt ist. Aber wir haben uns nie gefragt, warum wir uns das antun, weil wir das, was wir schaffen wollten, nicht aus den Augen verloren haben.

Franziska: Und außerdem waren und sind wir unglaublich dankbar dafür, dass wir diesen Platz überhaupt finden durften. Wir wurden vom Leben mit einem wunderbaren Geschenk überrascht, haben es angenommen und daran gearbeitet, es noch schöner zu machen, was uns, glaube ich, auch gut gelungen ist :-)

Break Away: Wie waren die ersten Nächte im Wald? Für viele klingt „nachts im Wald“ sehr gruselig :-)

Franziska: Am Anfang war alles unglaublich spannend und neu. Die vielen Geräusche, die wir so gar nicht aus der Stadt kannten, haben mich schon erschreckt. Ein heiseres Fuchsbellen in der Nacht, ein schreckendes Reh im Morgengrauen, verschiedene Raschelgeräusche im Gebüsch, brunftende Hirsche, die ihre Geweihe aneinander schlagen. Das war zuerst wirklich unheimlich. Nach und nach haben wir dann gelernt, welches Geräusch was bedeutet und anstatt uns zu erschrecken, wissen wir nun ziemlich genau, wer da gerade im Wald sein Ding macht. Eine konkrete unheimliche Situation war meine erste, nächtliche Autofahrt ohne Carsten durch den dunklen Wald zu unserem Haus. Ich hatte richtig Panik, dass gleich ein irres Waldmonster zwischen den Bäumen hervorspringt und war ziemlich erleichtert, als ich endlich das Außenlicht unseres Hauses erspähte.

Carsten: Heute ist das zum Glück überhaupt kein Thema mehr. Wir machen sogar Nachtwanderungen und das, obwohl es bei uns im Wald inzwischen auch Wölfe gibt. Wenn man den Wald und seine Geräusche genau kennt, hat man keine Angst mehr. Man spaziert aber auch nicht total sorglos durch die Gegend. Wenn man beispielweise an eine Stelle kommt, wo vielleicht gerade eine Rotte Wildschweine ihren Nachwuchs aufzieht, macht man besser einen großen Bogen darum.

Break Away: Habt ihr euch durch euer Leben im Wald verändert?

Franziska: Das Leben im Wald hat uns sehr verändert. Allein schon die vielen Fähigkeiten und Kenntnisse, die wir heute haben, und von denen ich zumindest früher nicht einmal zu träumen gewagt hätte :) Zu den verschiedensten Themen wie z.B. Renovierung, Waldflora und -fauna, Forstwirtschaft, Gemüseanbau, Autarkie haben wir unglaublich viel gelernt und tun es noch immer. Ich weiß jetzt, wie man einen Stemmhammer bedient, kann ein Haus dämmen, unterscheide einen Gimpel von einem Rotkehlchen, eine Dachs- von einer Wildkatzenspur, mache Lebensmittel haltbar, schwinge das Beil, errichte einen perfekten Brennholzstapel, spiele Gitarre, was ich mir selbst beigebracht habe und stricke Socken, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Außerdem bin ich viel achtsamer und bewusster geworden.

Carsten: Ja, der Wald hat uns beigebracht, in Ruhe 'sein' zu können und den Moment zu genießen. So kann man übrigens auch viel mehr beobachten als einem als ungeübter Betrachter möglich ist. Ein Fuchs, der am Bach trinkt, Krähen, die sich mit ihren lustigen Rufen gegenseitig zu einer Beute lotsen, ein Rudel Rehe, das plötzlich vor einem steht, ein kleiner Marder, der hinter einem Baum hervorlugt, ein Eichhörnchenjunges, das mit seinem Geschwisterchen auf den Ästen unserer Linde herumtollt und so weiter. Das sehr erdende Waldleben mit seinen wunderbaren Erlebnissen und Beobachtungen hat uns einfach komplett in seinen Bann gezogen und uns beigebracht, dass weniger oft viel mehr ist, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so aussieht. Am Feuer zu sitzen und in die Flammen zu schauen, den Moment zu genießen, ist ein weniger von dem wir beide einfach nicht genug bekommen können.

Break Away: Was bedeutet „Leben im Wald“ generell?

Carsten: Wir richten unser Leben nach den Jahreszeiten, nach dem Wetter und auch nach unseren tierischen Nachbarn aus. Im Winter Holz machen, was für uns ein unverzichtbares Jahres-To Do ist, weil wir ja nur mit einem Holzofen unser Haus beheizen. Gemüseanbau findet natürlich im Frühjahr und Sommer statt. Fensterläden lackieren wir, wenn es warm ist, aber nicht regnet. Wenn in dem Bretterstapel, den wir eigentlich für den Zaun verbauen wollten, im Sommer ein Nest entdeckt wird, wird der Zaunbau auf den Herbst verschoben. Im Herbst, wenn es langsam kühler wird, pflanzen wir Bäume in unserem eigenen Wald. Ihr seht, das Leben im Wald bedeutet generell natürlich auch, immer wahnsinnig viel zu tun zu haben :-)

Franziska: Ja, langweilig wird uns NIE! Das Leben im Wald bedeutet aber auch viel Platz, Freiheit, Natürlichkeit, zur Ruhe kommen, keine ständige Beschallung durch Nachrichten, Werbung, etc. Es ist hier viel leichter, die innere Stimme - Intuition, Bauchgefühl - wahrzunehmen, Zweifel auch mal beiseite zu schieben, im Hier und Jetzt präsent und dankbar zu sein und natürlich bedeutet es für uns auch, ein guter Gastgeber zu sein, damit wir mit Freunden und Familie gemeinsam an einem wunderbaren Platz entspannen können.

Break Away: Fehlt euch manchmal die Umtriebigkeit der Großstadt?

Carsten: Wenn wir Lust auf die Großstadt haben, dann fahren wir in die Großstadt :). Dann genießen wir es auch total. Wir gehen schön essen, vielleicht auch auf den Wochenmarkt, treffen Freunde, gehen auf ein Konzert oder ins Ballett.

Franziska: Städte inspirieren uns. Wenn wir verreisen, schauen wir uns auch gern aufregende Metropolen an und nehmen jedes Mal viele neue Ideen und tolle Erlebnisse mit nach Hause.

Break Away: Ist das Leben im Wald für jeden etwas?

Franziska: Probieren geht über Studieren :-)

Carsten: Wenn man sich so ein Leben wünscht, sollte man vielleicht erst einmal im Urlaub zwei Wochen in einer einsamen Hütte verbringen und schauen, wie es einem da ergeht.

Break Away: Im März diesen Jahres ist euer Buch „Kaffee mit Käuzchen“ erschienen. Was wollt ihr euren Lesern vermitteln?

Franziska: Unser Buch ist kein klassisches Sachbuch, sondern ein romanhaft geschriebenes Memoire. Ich würde sagen eine romantische, abenteuerliche Lebens- und Liebesgeschichte mit ganz viel Wald. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir die LeserInnen bei der Lektüre des Buches dazu inspirieren können, ihren Wünschen und Träumen Aufmerksamkeit zu schenken und daran zu glauben, dass es möglich ist, diese auch in die Tat umzusetzen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich unsere Entscheidungen, wenn wir auf unsere Intuition hören, rückblickend immer als richtig herausstellen. Für uns hat es sich sehr gelohnt, an manchen Knotenpunkten in unserem Leben, mutig zu sein und unsere Komfortzone zu verlassen. Auf die eine oder andere Art und Weise wird das früher oder später "belohnt"! Dabei darf man ruhig offen für die Art der Belohnung sein, denn aus eigener Erfahrung darf ich sagen, dass es nicht immer genau das ist, was man sich vielleicht vorgestellt hat :) Man muss ja nicht gleich eine alte Ruine mitten im Wald kaufen, und es muss sich auch nicht alles von heute auf morgen verändern. Bei uns hat es einige Jahre gedauert, bis wir ganz und gar im Wald leben konnten. Man kann auch viele kleine Schritte in Richtung Wunschverwirklichung machen.

Carsten: Man kann so vieles erreichen, wenn man mit Beharrlichkeit und Zuversicht dran bleibt. Dass es dabei aber auch wichtig ist, hin und wieder mal loszulassen, um nicht zu verkrampfen, ist auch nicht zu vernachlässigen. Letztlich darf das Leben ja auch Spaß machen, spielerisch sein! 
Eine Sache ist ganz sicher im Leben: Irgendwann sterben wir. Und es wäre doch schade am Ende seines Lebens zu sagen, ich habe es leider noch nicht einmal versucht, meine Wünsche und Träume in die Tat umzusetzen. Wie schade und jetzt ist es leider zu spät.Außerdem freuen wir uns natürlich, wenn wir den LeserInnen von unseren Erlebnissen im Wald erzählen dürfen, und sie dadurch vielleicht dazu zu begeistern, den ein oder anderen Ausflug in die Natur zu machen und sich an ihr zu erfreuen.

Break Away: Ihr seid erfolgreich aus eurem „Hamsterrad ausgebrochen“. Welche Tipps habt ihr für Menschen, die ebenfalls auf der Suche nach einer Veränderung sind?

Franziska: Mein erster Tipp: Rumspinnen! :) Was würdest Du tun, wenn Du dabei nicht scheitern könntest? Visualisiere Dich in dieser traumhaften Situation, male sie Dir im Detail aus, vielleicht malst Du sogar ein Bild oder stellst eine Collage zusammen, oder Du schreibst Deine kühnsten und tollsten Träume auf. Und das, was Dich am meisten von dieser Liste, von diesem Bild begeistert, damit fängst Du an und räumst dieser Sache, so viel Zeit in Deinem Leben ein, wie es eben gerade geht. Auch, wenn das erst einmal nur eine halbe Stunde in der Woche ist. Und Du wirst Dich wundern, wie viel Veränderung allein dadurch schon in Dein Leben kommen wird. Dabei kann es helfen, Bücher oder Videos von inspirierenden Menschen, die diesen 'Traum-weg' schon gegangen sind, zu lesen, ein Seminar zu besuchen, ein Coaching in Anspruch zu nehmen, etc.

Carsten: Und wenn man bei manchen Dingen auch mal scheitert, sollte man sie im Nachhinein auf keinen Fall als Zeitverschwendung betrachten. Wenn man sich zugesteht, auch mal die falsche Richtung einzuschlagen, Fehler zu machen, ist es nie vergeudete Zeit, weil man auch immer etwas für den nächsten Versuch dazu lernt.


Weitere Infos auf www.amfeuerimwald.de und unter www.instagram.com/kaffeemitkaeuzchen oder Ihr erlebt die Beiden und ihre Geschichte live bei ihrer Multivisionsshow/Lesung:

01.08.2019    •   Festival A Summer's Tale in Luhmühlen

24.08.2019    •   Im Fontane Garten in Rauschendorf (bei Berlin)
31.08.2019    •   mit der Thalia Buchhandlung bei Curry und Café in Cuxhaven
08.09.2019    •   NORDEN Festival in Schleswig
12.09.2019    •   herr holgersson in Gau-Algesheim
13.09.2019    •   Buchhandlung Eulenspiegel in Hochheim am Main
21.09.2019    •   Adventure Northside Gut Basthorst
26.09.2019    •   Buchhandlung Erlesenes in Heide
17.10.2019    •   Globetrotter in Frankfurt
24.10.2019    •   Globetrotter in Stuttgart
29.10.2019    •   Buchhandlung im Wohld in Kiel
28.11.2019    •   Globetrotter in Hamburg-Barmbek
27.02.2020    •   im PAHLHUUS des Biospährenreservats Schaalsee in Zarrentin
07.03.2020    •   Boysen & Mauke in Hamburg
12.03.2020    •   Stadt- und Kreisbibliothek "Georgius Agricola" in Glauchau
13.03.2020    •   Globetrotter in Dresden
24.03.2020    •   Globetrotter in Köln
27.03.2020    •   Globetrotter in München
10.04.2020    •   im Duvenstedter BrookHus des NABU in Hamburg
24.02.2020    •   im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe MV in Boizenburg
Weitere Termine folgen demnächst!


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