"Freiheit entsteht im Kopf"
Elke Tesche aus Berlin hatte einen festen Job und ein geregeltes Leben – doch kurz
vor ihrem 40. Geburtstag stand die große Frage im Raum: War das schon alles? Es
folgte die Kündigung und eine achtwöchige Reise allein durch Australien. Ein
Gespräch über Alleinsein und Einsamkeit, Zeitdruck, Zweifel, der Traum des
eigenen Buches und was die Worte „öfter und kürzer“ mit ihrem heutigen Leben zu
tun haben.
Elke Tesche |
Elke Tesche: Ich war als Betriebswirtin in leitender Position (Buchhaltung und Finanzen) in Vollzeit tätig. In meiner Freizeit habe ich gelesen, Sport getrieben, mich mit Freunden getroffen – und bin so oft es ging verreist.
Break Away: Was hat dich dazu animiert, diese Reise anzutreten?
Elke: Diese Reise war nur ein Teil meiner insgesamt neunmonatigen Auszeit vom Job, den ich dafür kündigte. Ich stand zu dieser Zeit kurz vor meinem 40. Geburtstag und dachte mir, dass es da noch etwas anderes geben muss als den Alltag, den ich bisher kannte. Da ich schon immer gerne verreist bin, war klar, dass eine längere Reise in diesen Zeitraum fallen wird.
Break Away: Warum hast du dich für Australien entschieden?
Elke: Zum einen hatte mich mein Vater, der das Land schon kannte, „infiziert“. Zum anderen hatte ich schon viel darüber gesehen, gehört und gelesen. Da wollte ich schon lange hin! Hinzu kam, dass ich die Gelegenheit nutzen wollte, keinen Zeitdruck durch begrenzten Urlaub zu haben, wie man ihn zu Zeiten einer festen Beschäftigung hat. Acht Wochen sind für die allermeisten Arbeitgeber, auch wenn man teilweise unbezahlten Urlaub nehmen würde, kein Thema. Ich wollte aber, wenn ich schon so weit fliege, dann auch eine Weile dort bleiben. Auch weil das Land riesig ist.
Break Away: Hattest du vor dieser Reise Zweifel, ob es die richtige Entscheidung war?
Elke: Nein, nie. Ich war mir von Anfang an sicher, dass es das Richtige zur richtigen Zeit ist. Ich höre gerne auf mein Bauchgefühl.
Break Away: Du beschreibst deine Reise als „Alleine, aber nicht einsam.“ Was genau ist damit gemeint?
Elke: Alleinsein bedeutet für mich, ohne die Gesellschaft von anderen zu sein, und zwar freiwillig und mit Genuss. Einsamkeit definiere ich als ein Alleinsein, das unfreiwillig und ungewollt und damit unschön ist. Da ich sowohl im Vorfeld dieser wie auch schon vorangegangener Reisen öfter mit Unverständnis konfrontiert wurde, weil ich nicht „aus Not“, sondern freiwillig und auch ausgesprochen gerne alleine verreise, war es mir wichtig, diesen Unterschied im Buch anzusprechen.
Break Away: Welche Erfahrung hat dich auf deiner Australien-Reise am meisten geprägt?
Elke: Ganz allgemein die Begegnungen, Gespräche und Erfahrungen mit den Menschen vor Ort. Die Australier sind im Schnitt viel entspannter und optimistischer als meine Landsleute in Deutschland. Da wird nicht so viel gezweifelt, gegrübelt und überlegt, sondern einfach gemacht. Sowohl beruflich als auch privat. Ganz entspannt und ohne Hetze.
Break Away: Wie lief deine Rückkehr ab? Gab es sowas wie ein Reisetief?
Elke: Ich kehrte in der dunklen, trüben Jahreszeit nach Berlin zurück und hatte, so frisch aus dem australischen Frühling, ein paar Tage „Anlaufschwierigkeiten“, sowie einen kleinen Kulturschock. Die Menschen und Lebensumstände hier und dort sind doch zum Teil recht unterschiedlich. Um ein Reisetief während der Reise zu bekommen, hätte ich sicher länger als 8 Wochen unterwegs sein müssen. Also: nein. Ich hatte nach ein paar Wochen lediglich mal ein paar Tage, an denen ich weniger unternehmungslustig war und Pläne dann entsprechend verworfen habe. Der Kopf ist nach so vielen Eindrücken irgendwann einfach voll. Das Erlebte will dann erst einmal verarbeitet werden, bevor neuer Input kommt.
Break Away: Du hast ein Buch über deine Reise geschrieben. Wie kam diese Entscheidung?
Elke: Ich habe von unterwegs ein Reiseblog mit täglichen Beiträgen über meine Reise gefüllt. So konnten Familie und Freunde virtuell mit an Bord sein. Dazu bekam ich sehr viel positives Feedback von meinem Umfeld, gepaart mit dem Vorschlag, meine Texte und Fotos doch einem größeren Publikum als „nur“ meinem persönlichen Umfeld zugänglich zu machen. Den Traum, eines Tages ein Buch zu veröffentlichen, hatte ich selbst schon länger. Und in dem Moment passte es zusammen. So wurde aus dem Blog ein Buch, wenn auch mit etwas zeitlicher Verzögerung.
Break Away: Seit deiner Australien-Reise packst du immer wieder deine Koffer und reist in fremde Länder. Wie lässt sich das Reisen mit dem beruflichen Alltag verbinden?
Elke: Ich bin mittlerweile 53 Jahre alt und arbeite nicht mehr in Voll-, sondern in Teilzeit. Ich habe mich nach einigen Jahren in Führungspositionen dafür entschieden, mein Privatleben über meinen Job zu stellen. Ich habe mir eine Teilzeitstelle gesucht, die mir genügend zeitliche Freiheit lässt, mehr als die üblichen fünf bis sechs Wochen im Jahr zu verreisen. Ich kann das mit Überstunden bewerkstelligen, die ich zu Zeiten, in denen ich in Berlin bin, erbringe. Vereinbart ist mit meinem Arbeitgeber, eine kleine Incoming-Reiseagentur, dass die zu erbringenden Arbeitsstunden wie ein Jahresstundenkontingent betrachtet werden. Da die Chefin und eine Kollegin schulpflichtige Kinder haben, ist weiterhin vereinbart, dass ich nicht während der Schulferien verreise. Daran hätte ich aber auch von mir aus kein Interesse. Der längste Zeitraum am Stück, den ich in den letzten Jahren in diesem Job verreist bin, betrug fünfeinhalb Wochen, und zwar außerhalb unserer Hauptsaison im Büro. Die generelle Tendenz ist: öfter und kürzer.
Break Away: Welche Tipps hast du für Menschen, die ebenfalls mit dem Gedanken spielen, mit „Reisen“ aus ihrem Alltag auszubrechen?
Elke: Lassen Sie sich nicht von „wohlmeinenden“ Stimmen aus Ihrem Umfeld davon abhalten. Was für andere gut und richtig ist, muss es noch lange nicht für Sie sein. Nicht zu viel zweifeln und zögern. Einfach machen. Natürlich nicht blauäugig, sondern mit dem richtigen Augenmaß dafür, was sich auch sinnvoll realisieren lässt im Hinblick auf Reisedauer, Finanzen, Familie und was sonst noch für Sie wichtig ist. Wir haben nur dieses eine Leben. In Anlehnung an einen Spruch, den ich in Australien auf einem Motorrad gesehen habe: adventure before dementia :-)
Break Away: Bist du heute glücklicher als früher?
Elke: Ja, definitiv. Und freier. Freiheit entsteht immer im Kopf und hat nur sehr bedingt mit den äußeren Umständen zu tun.
Öfter und Kürzer die Welt bereisen ist eine gute Möglichkeit, wobei ich immer wieder feststelle, dass so etwas wie Erholung oder richtiges Kennenlernen eines Ortes erst nach mehrmaligen Besuchen stattfindet.
AntwortenLöschenSchön, dich hier zu lesen, liebe Elke.