Freitag: Letzter Arbeitstag - Samstag: Ab nach Russland!
Stephan
Orth war jahrelang Redakteur des Reise-Ressorts bei „Spiegel Online“ – dann hat
er gekündigt und ist seitdem als „Couchsurfer“ weltweit unterwegs. Mittlerweile
hat er schon drei Bücher über seine „Couchsurfing-Abenteuer“ in China, Russland
und dem Iran veröffentlicht. Ein Interview über Reisefieber, schwierige
Entscheidungen, Gastfreundlichkeit und Missstände, Freiheit, Engstirnigkeit und
warum ihn seine nächste Reise bestimmt nicht in die Toskana führen wird.
Break
Away: Deine Leidenschaft für das Schreiben hast du schon sehr
früh entdeckt, aber wann hat dich das Reisefieber gepackt?
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Autor und Couchsurfer Stephan Orth (c) Stefen Chow |
Break
Away: Von 2008 bis 2016 hast du als Redakteur im Reise-Ressort
bei „Spiegel Online“ gearbeitet, bevor du dich als Autor selbstständig gemacht
hast. Wie kam diese Entscheidung?
Stephan: Ich
habe lange mit mir gerungen, weil das ein toller Job war, mit wunderbaren
Kollegen und einem Top-Arbeitgeber. Aber nach dem Erfolg von „Couchsurfing im
Iran“ dachte ich: Jetzt oder nie. Mein letzter Arbeitstag war ein Freitag, am
Samstag saß ich schon im Flieger nach Russland, um dort mit der Recherche für
das zweite Couchsurfing-Buch zu beginnen.
Break
Away: Drei deiner Bücher handeln vom Couchsurfing in
verschiedenen Ländern. Wie bist du zum Couchsurfing gekommen?
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(c) Stefen Chow |
Stephan: In
solchen Ländern habe ich das Gefühl, noch Geschichten erzählen zu können, die
den Leser wirklich überraschen, die Klischees widersprechen. Gerade, weil ich
den Alltag der Menschen schildere und keine Interviews mit „Eliten“ wie
Politikern, Experten oder Spitzensportlern mache.
Break Away: Welche Erfahrungen in Russland, China und dem Iran sind dir am meisten in Erinnerung geblieben?
Break Away: Welche Erfahrungen in Russland, China und dem Iran sind dir am meisten in Erinnerung geblieben?
Stephan: Im Iran hat mich immer wieder die unglaubliche Gastfreundlichkeit der Menschen überrascht. Und eine Übernachtung in einem Haus, das 500 Meter von einem Atomkraftwerk entfernt stand, in einem Dorf, das eigentlich seit Jahren aus Sicherheitsgründen evakuiert sein sollte. In Russland waren es drei Tage bei einer Weltuntergangssekte im tiefsten Sibirien. Und in China die Begegnung mit einer regimekritischen Künstlerin, die viel riskiert, um ihre Meinung zu verbreiten und Missstände anzuprangern.
Break
Away: Hast du dich durch deine Reisen verändert?
Stephan: Ich
habe gelernt, dass die Welt ein freundlicherer Ort ist, als die meisten
annehmen. Und ich habe heute weniger Verständnis für manche der Dinge, die in
Deutschland zum großen „Aufreger“ werden. Wir meckern hier häufig auf sehr
hohem Niveau und könnten zwischendurch auch mal extrem glücklich sein, in einem
Land zu leben, in dem vieles funktioniert und in dem so ein lebhafter und
freier gesellschaftlicher Diskurs existiert. Zugleich spüre ich aber auch eine
schockierende Engstirnigkeit, Provinzialität, Visionslosigkeit und Angst vor
Veränderungen.
Break
Away: Gab es Momente, in denen du dich nicht sicher gefühlt
hast?
Stephan: Die
gibt es auf jeder längeren Reise. Bei Verhören auf einer iranischen
Polizeiwache oder beim russischen Geheimdienst, bei einem brisanten Gespräch in
der chinesischen Unruhe-Provinz Xinjiang. Häufig weiß ich, dass nicht
herauskommen sollte, dass ich gerade für ein Buch recherchiere, weil ich dann
ernsthafte Schwierigkeiten bekommen könnte.
Stephan: Es
sind nicht mehr viele Länder, aber häufig gilt die Regel, dass man sich bei der
örtlichen Polizei registrieren muss, wenn man privat unterkommt. Da man das
aber häufig nicht macht, ist man immer in einer rechtlichen Grauzone unterwegs.
Viele Länder wollen nicht, dass ausländische Reisende unterwegs sind, ohne dass
ihr Aufenthaltsort aktenkundig ist. Bei Hotelübernachtungen dagegen wird man
häufig auch gleich bei den Behörden registriert.
Break
Away: Fühlst du dich mittlerweile „freier“ als in der Zeit als
Redakteur?
Stephan:
Auf
jeden Fall. Ich bin mein eigener Chef, komme mehr herum und habe den
unfassbaren Luxus, mir meine Projekte selber aussuchen zu können. Natürlich
muss ich vor einem neuen Projekt auch den Buchverlag überzeugen, aber bislang gab es noch kein Veto.
Break
Away: Hast du dir bereits ein neues Land für deine
Couchsurfing-Abenteuer gesucht?
Stephan: Ich
habe eine Liste mit etwa 15 Ländern, die es werden könnten. Entschieden ist
noch nichts, aber ganz bestimmt wird es nicht Gran Canaria oder die Toskana
werden.
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